Rock Hard ...

Mucke mit Bolte und Krulle
Von blühenden Landschaften im Osten orakelte einst der Einheitskanzler, und seine Vorhersage traf ebensowenig ins Schwarze wie der Versuch, mit Saumagen und Gürtel-enger-schnallen Gewichtsprobleme zu behandeln. Doch immerhin regt sich etwas im Metal-Underground - beispielsweise bei den Sachsen von FACTORY OF ART.

Der Bandname, der nicht so ohne weiteres auf eine astreine Krachwurstkapelle schließen läßt, deutet es schon an: FACTORY OF ART passen mit ihrem Faible für handwerklich ausgefeilte Songs eher in die Fates Warning-Kante - mit einem deutlichen Schlag Richtung teutonischer Melodic Metal-Vorgänger der Achtziger. Richtig aufwärts ging es 1991, als sich die Jungs mit Sänger Gunter verstärkten, nachdem man den Probekeller zunächst ein Jährchen lang mit rein instrumentalen Sounds zum Beben brachte.
"Wir sind nicht die „typische“ Metal-Band", bestätigt der Shouter. "Darauf legen wir auch gar keinen Wert. Es geht uns darum, einen möglichst weitgestreuten Kreis an Zuhörern anzusprechen und uns nicht auf eine Richtung festnageln zu lassen. Natürlich genießen Heavy-Scheiben einen hohen Stellenwert unter den Sachen, die wir uns reinziehen, aber eigentlich kommen wir eher aus der Yes-Ecke, vor allem weil unser Sound anfangs sehr von Bombast und klassischen Elementen geprägt war."
„Full Metal“ ist allerdings das Namedropping, mit dem FOA auf ihr Produkt aufmerksam machen, schließlich konnte man solch illustre Gastmucker wie Krulle (Atrocity) und Chris Boltendahl (Grave Digger) für das Debütalbum „Grasp!!!“ gewinnen (bereits ´93 erschien eine Vier-Track-CD namens „No Better World“). Manager Marco erläutert die Umstände:
"Bolte haben wir bei einem der Grave Digger-Reunion-Gigs kennengelernt, als wir in Leipzig fürs Vorprogramm gebucht waren. Irgendwann habe ich ihn dann einfach gefragt, ob er nicht Bock hätte, was mit uns zu machen. Das war der Fall, und wir hatten ´ne Menge Spaß zusammen.
Außerdem hatten wir bei einem Wettbewerb von Rock Hard und Roadrunner einen Studioaufenthalt gewonnen, bei dem Krulle den Pruduzenten mimte. Nachdem alles im Kasten war, hat er sich im Studio eingeschlossen, um seine Ideen und Verbesserungen einzubringen. Unter anderem hat er bei ´Live Fast´ zusätzliche Vocals eingesungen. Das gefiel uns so gut, daß wir ihn bei den Aufnahmen zu „Grasp !!!“ gefragt haben, ob er das nochmal machen würde, und er hat prompt zugesagt."
Besagter Contest war die „Thrash The Wall“-Chose, die allerdings nicht den erwünschten Erfolg hatte.
"Der erste „Thrash The Wall“-Sampler hatte ursprünglich den Sinn, ostdeutsche Bands zu fördern, was auch passiert ist. (Von jeder Scheibe wurde eine Mark dem guten Zweck zugeführt - d.Verf.) Eigentlich war sogar noch eine zweite Compilation geplant, zu der fünf Ex-DDR-Kapellen je zwei Songs beisteuern sollten, was aber im Endeffekt daran scheiterte, daß sich eine Truppe recht schnell wieder auflöste. Als dann noch andere organisatorische Schwierigkeiten auftraten, hatten die Leute von Roadrunner die Schnauze voll und meinten, für eine Veröffentlichung wäre der politische Background, sprich die Grenzöffnung, eh schon viel zu lange her, so daß die ganze Sache schließlich auf Eis gelegt wurde."
Stichwort „Wall“: Vor einigen Monaten jährte sich die sogenannte Wende zum siebten Mal...
"Ich bin eigentlich ganz froh, daß es so gekommen ist", meint Basser Ron, "denn ich lebe lieber so wie im Moment, mit all den Widrigkeiten des Westens, als mit denen des SED-Regimes. Ich wünsche mir die Mauer bestimmt nicht zurück, aber unser Drummer Wolf hat dazu bestimmt eine ganz andere Meinung..."
"So grundsätzlich anders stellt sich das für mich auch nicht dar", hält Wolf dagegen. "Ich bin natürlich auch froh, daß es die Grenze nicht mehr gibt, aber ich finde, daß man aus der Situation damals viel mehr hätte machen können. Wir haben ja quasi alles einfach übernehmen müssen, Gutes wie Schlechtes. Jetzt potenziert sich letzteres bei uns um ein Vielfaches, weil noch nicht so viel Erfahrung im Umgang mit diesen Schwierigkeiten herrscht, da man in der DDR ja sozial total abgefedert war und der Staat sich um alles gekümmert hat. Niemand konnte jemals so hoch aufsteigen, wie das jetzt möglich ist - aber auch nicht so tief fallen. Jeder, der halbwegs mit dem System „konnte“, fand jederzeit für seine Probleme einen Ansprechpartner, was jetzt völlig weggefallen ist. Das sind Punkte, die ich sehr kritisch sehe und mit denen ein Großteil der Leute bis heute nicht klarkommt. Dadurch ist gewaltiger sozialer Sprengstoff entstanden. Nimm nur die Jugendarbeit, die nach der Wende total vernachlässigt worden ist: Es gab im Kinder- und Jugendbereich die vielfältigsten Freizeitangebote, die sich eigentlich alle leisten konnten und von denen wir auch in unserer musikalischen Entwicklung profitieren konnten. Jetzt mußt du für all das einen Haufen Kohle rüberschieben. Das kann sich allerdings kaum noch jemand leisten, so daß viele Kids mächtig abgestürzt sind. Dazu kommt noch, daß besonders im Bildungswesen vom Staat kräftig gespart wird und so ein Potential an Dumpfbacken entsteht, die sich nur noch besaufen und prügeln wollen."
Marco : "Ich habe generell das Problem damit, daß ´89 eine für dieses Jahrhundert einmalige Situation geherrscht hat, in der man ein großes Experiment hätte starten können, nämlich die Vorzüge beider Systeme in ein neues Gesellschaftssystem einzubinden. Diese Chance ist verspielt worden, und das ist schade. Aber das Volk hat halt Westmark und Banane gewählt." Von Birne ganz zu schweigen...

Carsten Kleine